Kategorien
Rückblicke

NASCAR Saison 1965 – Chrysler geht, Curtis Turner kommt zurück

Drei große Fahrer, Joe Weatherly, Fireball Roberts und Jimmy Pardue, hatten 1964 für ihren Sport den höchsten aller Preis bezahlt, mit ihrem Leben. Die erzielbaren Geschwindigkeiten der Fahrzeuge hatten Ausmaße erreicht, die mit der vorhandenen Technik der Wagen und der Reifen von den Fahrern nicht mehr zu beherrschen waren. Im Sommer 1964 zog NASCAR die Notbremse und verkündete neue Regeln für die Saison 1965.
1. Hubraum: Maximal 428 cubic inches (7 Liter) und nur Motoren aus laufender Produktion.
2. Technik: Verbot spezieller Brennräume, Mehrventilzylinderköpfe und direkter Ventilbetätigungen.
3. Radstand: 119 inches (3,02 m) auf Superspeedways und 116 inches (2,95 m) auf Short Tracks und Straßenkursen.
4. Vergaser: Ein 4-barrel Vergaser (Vierkanalvergaser) mit 1 11/16 inch (43 mm) Öffnung.
5. Tank: Ein von NASCAR entwickelter, mit Gummi ausgekleideter Tank wurde für alle Wagen zum Einbau vorgeschrieben.
Bill France sagte, die Regeln seien entstanden „… aus intensiver Forschung und Abwägung aller Notwendigkeiten des Stock Car Sports. Wir glauben, das diese Spezifikationen auch den privaten Teams genügend Raum geben, um gegen die Werksteams konkurrenzfähig zu sein. Auch alle, die General Motors Material einsetzen, werden nicht benachteiligt,“ fügte er hinzu.

Ford beeilte sich die neuen Regeln zu begrüßen. „Für alle ihre Bemühungen, zur Förderung von Fortschritt und Entwicklung besserer Serienkomponenten, kann man NASCAR nur gratulieren,“ sagte Leo C. Beebe, Vorstand von Ford Spezialwagen. „Wir glauben, das Fahrzeuge im Stock Car Sport soweit wie möglich mit Serienwagen vergleichbar sein sollten. Mit dem Verbot von Spezialmotoren unterstützt NASCAR die Hersteller, die ihre Erfahrungen aus dem Rennsport ihren Kunden in Form von Verbesserungen bei der Serienproduktion zukommen lassen.“ In der Chefetage von Chrysler stand man den neuen Regeln, wie zu erwarten, ablehnend gegenüber. „NASCAR bildet sich ein fortschrittlich zu sein,“ befand Bob Anderson von Chrysler. „Dieser Fortschritt sind wir. Jeder Motor erfordert Jahre von Forschung und Entwicklung um die volle Leistungsfähigkeit zu erlangen. Wir werden uns in Detroit mit den neuen Regeln auseinandersetzen. Das kann dazu führen, das wir in Daytona nicht dabei sind.“

Der United States Auto Club, ein Rivale bei der Ausrichtung von Stock Car Rennen, versuchte die Situation auszunutzen. „Wir werden 1965 mit den selben Regeln fahren, wie 1964,“ verkündete USAC Direktor Henry Banks. „Es ist unser Grundsatz, das tiefgreifende Regeländerungen eine zweijährige Vorlaufzeit benötigen. Alles andere würde die Teilnehmer und die Hersteller überfordern.“ Im Klartext war es eine Einladung an die Dodge und Plymouth Werkswagen, mit ihren Hemi-Motoren zukünftig bei USAC Rennen anzutreten. Unter den NASCAR Regeln hätten die Crysler Teams mit den Modellen Plymouth Fury und Dodge Polara ohne Hemi-Motoren antreten müssen. „Diese Modelle sind gezielt als Luxuswagen konstruiert worden,“ sagte Chrysler Sportchef Ronnie Householder. „Sie sind groß und komfortabel, mit einer Menge noblen Zubehör ausgestattet. Die Gewichtsverteilung ist auf komfortables Gleiten ausgerichtet, nicht für Rennstrecken. Das neue Regelwerk ist das Ende unseres Automobilgeschäfts unten im Süden.“ Smokey Yunick, ein Teamchef, der sich 1964 vom NASCAR Sport verabschiedet hatte, analysierte die aktuelle Situation. „So wie ich die Sache sehe, benachteiligen die neuen Regeln alle, außer Ford,“ meinte er. „Die Ford werden nicht viel langsamer werden. Chrysler trifft es hart, die müssen mit größeren und schweren Wagen antreten, und das auch noch mit weniger Leistung. Den Privaten helfen die neuen Regeln überhaupt nichts. Hier ist gegen die Werkswagen nichts zu holen.“

Roney Householder 1965Offiziell wendete sich die Chrysler Führung am 29. Oktober 1964 an die Presse. „Die Grand National Saison 1964 hatte den größten Zuschauerzuspruch und die höchsten Preisgelder in der NASCAR Geschichte. Dies ist all denen zu verdanken, die dabei waren, Fahrer, Teams und Veranstalter. Plymouth und Dodge Wagen mit ihren 426 cubic inches Motoren, sowie deren Fahrer, haben bei allen Rennen im harten Kampf mit den Konkurrenten ihre Leistungsfähigkeit und ihren Sportsgeist gezeigt, und damit ganz wesentlich zum großen Erfolg des Stock Car Sports beigetragen. Alle Motorsportverbände sprechen entscheidende Regeländerungen mit den Beteiligten ab, und geben ihnen im Zeitraum von einem Jahr die Chance, sich darauf einzustellen. Die neuen Regeln für die Saison 1965, wie sie von NASCAR am 19. Oktober 1964 verkündet wurden, erlauben keine ordentliches Entwicklungs- und Testprogramm für das zu verändernde Material. Die neuen Regeln wiedersprechen der Tradition, nur sicheres und geprüftes Material auf die Strecken zu bringen. Wir glauben daher, das die Regeln sich zum Nachteil von Wagenbesitzern, Fahrern und Streckenbesitzern entwickeln werden. Letztendlich werden die besten Wagen der Saison 1964, einschließlich des Grand National Champions vom Rennbetrieb ausgeschlossen. Unter den neuen Regeln wird minderwertiges Material auf den Strecken zu sehen sein, verglichen mit dem was die Industrie technisch bieten könnte. Ohne eine einjährige Übergangsphase, sind wir gezwungen, uns aus dem NASCAR Sport zurückzuziehen, und unsere Kräfte 1965 auf die Veranstaltungen der USAC, IMCA, NHRA, SCCA und andere zu konzentrieren. In jedem Fall werden die hervorragenden Dodge und Plymouth Wagen in Stock Car Rennen zu bewundern sein, wo immer ein Veranstalter sie seinen Zuschauern nicht vorenthalten möchte.“

Nach Ronnie Householder’s Presseerklärung, faktisch dem Rückzug von Chrysler, ging Bill France in die Offensive, und versuchte die abrupte Regeländerung ins richtige Licht zu rücken. „Wir stehen am Scheideweg,“ sagte er. „Die Hemi und Hi-Riser Motoren widersprechen in ihren Fertigungsmengen, und der Tatsache, das sie keine Verwendung in der Serie finden, dem Grundgedanken des Stock Car Sports. Ford baut einen Motor mit obenliegender Nockenwelle, und hofft diesen bei Rennen einsetzen zu können. Chrysler konstruiert 12 Motoren, mit Bauteilen, die nur für Rennsport existieren. Das kann ich nicht zulassen. Man kritisiert uns, weil wir Regeln ohne einjährige Übergangszeit verkünden,“ fuhr er fort. „Ich weiß, wozu die Automobilindustrie in einem Jahr Wartezeit fähig ist. Danach stehen wir vor dem selben Problem wie jetzt. Die Regeln für 1965 bringen einen fairen Wettbewerb zwischen allen amerikanischen Serienwagen in Standardgröße. Wenn die Chrysler Corporation ihre Wagen mit dem Standard 426 cubic inches Motor als nicht wettbewerbsfähig gegenüber den vergleichbaren Modellen anderer Hersteller in den USA einschätzt, so bin ich der Letzte, der ihren Rückzug aus dem Stock Car Sport zu kritisieren hat. NASCAR Rennen sind an erster Stelle Wettbewerb. Unser Ziel war in all den Jahren, amerikanische Automobile in ihren Leistungen im Wettbewerb miteinander zu vergleichen. Die neuen Regeln folgen diesem Ziel: Wagen mit vergleichbaren Leistungen, Abmessungen und Gewicht zusammenzubringen. Kein Hersteller wird dabei favorisiert, oder bestraft.“

Bill France’s Erklärung erschien wie eine Aufforderung an Chrysler, ihre Boykottdrohung für die Saison 1965 Wahrzumachen. Wie auch immer, der NASCAR Präsident glaubte noch ein As im Ärmel zu haben. Er war sicher das General Motors in den Rennsport zurückkehrt, und am Ende niemand Notiz vom Ausstieg von Chrysler nehmen würde. Im November und Dezember ging der Krieg der Seitenhiebe weiter. Weder Chrysler noch Bill France wollten das es zum Boykott kommt, aber keine Seite war bereit zurückzustecken. Die Gerüchte über General Motors‘ Rückkehr zum Motorsport erwiesen sich langsam aber sicher als haltlos. Es war bekannt, das es auch bei GM Befürworter des Rennsports gab, aber die „no racing“ Fraktion blieb in der Mehrheit. Im Dezember 1964 gab General Motors Vizepräsident Lewis C.Goad eine Presseerklärung, die Bill France Hoffnungen endgültig zerstörten: „Autorennen sind vielleicht dramatisch und spannend, aber sie bringen keine neuen Erfahrungen, zu den Erkenntnissen, die wir bei unseren Testfahrten, rund um die Uhr, das ganze Jahr, überall im Land, rund um das Auto gewinnen,“ sagte er. „Rennen sagen etwas über ein Fahrzeug und seinen Fahrer aus, aber sie sagen nichts über die Qualität und Leistung eines Wagens im normalen Gebrauch auf den Straßen und Autobahnen.“

Chrysler gab bekannt, das sie in der neuen Saison Fahrer und Teams mit Werksmaterial in der USAC Stock Car Serie unterstützen werden. Zur selben Zeit, verkündete Ford, das sie Werkswagen nur in NASCAR Rennen einsetzen werden. Damit wurden NASCAR und USAC Stock Car Rennen faktisch zu einem Ford und einem Chrysler Markenpokal herabgewürdigt. Durch die Unfähigkeit beider Seiten zum Kompromiss, wurden die NASCAR Fahrer und Wagenbesitzer, die bisher von Chrysler unterstützt wurden, langsam unruhig. Keiner von ihnen wollte wirklich in die USAC Serien wechseln.
Cotton Owens: „Ich muss von dem leben, was ich tue. Das heißt, ich gehe dahin, wo ich Werksunterstützung bekomme.“
Richard Petty: „Ich möchte wirklich nicht in die USAC Serie wechseln. Bei deren Preisgeldern kann ich vom Rennsport nicht leben. Die Alternative lautet, unsere alten 63er Modelle zu reaktivieren, und mit ihnen gegen nagelneues Werksmaterial von Ford anzutreten.“
Ray Fox: „Ich versuche erst mal mein Team zusammenzuhalten, und hoffe das Bill seine Pläne noch mal überdenkt. Ich bin nicht auf den Rennsport angewiesen, aber wenn ich mitmache, dann nur mit Werksunterstützung.“
Buck Baker: „Ich bleibe bei NASCAR. Ich bin hier 18 Jahre lang gefahren, und habe nicht hungern müssen. Rennfahren ist mein Beruf und ich kenne keine Serie, in der ich mehr Geld verdienen kann, als die von NASCAR.“
Bud Moore: „Ich habe mehrere Eisen im Feuer, aber keins davon ist heiß.“
Bill France: „Es sind immer Dodge und Plymouth Wagen bei NASCAR gefahren, und das wird auch weiterhin so sein.“
Der Dezember ging vorbei, ohne das eine Seite nachgegeben hätte und auch aus dem General Motors Lager gab es nichts neues zu vermelden.