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Rückblicke

NASCAR Saison 1965 – Chrysler geht, Curtis Turner kommt zurück

Kurz nach dem World 600 trafen sich Bill France und der USAC Präsident Henry Banks in New York. Hier begruben die Zwei fast alle Differenzen und schufen ein gemeinsames Regelwerk für ihre Stock Car Serien. Sie hatten eingesehen das einheitliche Vorschriften ihre Sportverbände eher vor den Launen der Automobilindustrie schützen würden. Die neuen Regeln, die am 21. Juni vorgestellt wurden, lauteten wie folgt:
1. Ein Mindestgewicht von 9,36 pounds (4,25 kg) pro cubic inch Hubraum für ein vollgetanktes, startfähiges Fahrzeug (das heißt, ein 427 c.i. Wagen musste 3.996,7 pounds = 1812,9 kg wiegen).
2. Der Hemi-Motor wurde auf allen NASCAR Strecken länger als eine Meile für die Modelle Plymouth Fury, Dodge 880 und Dodge Polara sanktioniert.
3. Auf allen USAC Kursen, bzw. NASCAR Strecken unter einer Meile, sowie Straßenkursen, wurde der Hemi-Motor in den Modellen Plymouth Belvedere und Dodge Coronet freigegeben.

Positive Reaktionen kamen von der Industrie. Chrysler Vorstand Robert M. Rodger sagte: „Wir betrachten die Vereinbarungen zwischen NASCAR und USAC als lobenswerten Anfang zu einer vernünftigen Zusammenarbeit. Aber, die Modelle Fury und Polara sind nie für den Hemi-Motor vorgesehen gewesen, noch gab oder gibt es konstruktive Voraussetzungen oder Testprogramme, um diese Modelle auf den Superspeedways von NASCAR fahren zu lassen. Aus diesem Grund plant die Chrysler Corporation keine Polara oder Fury Werkswagen für diese Veranstaltungen.“ Leo C.Beebe von Ford kommentierte: „Wir haben NASCAR und USAC immer ermuntert, einheitliche Spezifikationen zu schaffen. Das Ergebnis ist erfreulich.“

American 500 1965Zur zweiten Saisonhälfte trafen sich die Grand Nationals zum jährlichen Firecracker 400 in Daytona. Obwohl Chrysler behauptet hatte, es sei unmöglich, den Hemi-Motor in einen Plymouth Fury bauen, Buck Baker schaffte es. Er montierte die Maschine in einen Plymouth, den Bill France gekauft hatte, und setzte seinen Sohn Buddy Baker hinter das Lenkrad. Der junge Baker machte mit seinem zweiten Platz hinter Sieger A.J. Foyt einen Bombenjob, und der Arbeit seines Vaters alle Ehre. Werkswagen von Chrysler waren nicht am Start. Es dauerte noch bis zum 25. Juli, bevor sich die ersten Werks-Chrysler in Bristol zeigten. Bis zum Ende des Jahres traten sie bei 18 Short Track Rennen an, und gewannen sechs davon; viermal durch Richard Petty und zwei mit David Pearson.

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ährend die NASCAR-USAC Vereinbarung ein Schritt in die richtige Richtung war, blieben die Superspeedway Besitzer auf dem Problem des Ford Monopols auf ihren Strecken sitzen. Sie bemerkten, das die Zuschauer ihre Dollars lieber an den Kassen der Short Tracks ließen. Bill France hatte die Regeln geändert, aber es rannten noch immer keine Chrysler auf den langen Strecken. Am Sonntag, dem 31. Juli 1965, waren die NASCAR Granden Bill France und Pat Purcell in Atlanta, aber nicht um das dort stattfindende USAC Indy Car Rennen zu genießen. Nelson Weaver, Präsident des Atlanta International Raceway, hatte öffentlich verlautbaren lassen, das er 1966 keine Verträge mit NASCAR abschließen werde. Weaver hatte stattdessen ein zusätzliches Indy Car Rennen für seine Strecke gebucht. Doch noch ein paar andere Männer hielten sich in Atlanta auf. Bob Colvin vom Darlington Raceway, als auch A.C. Goines und Richard Howard vom Charlotte Motor Speedway, waren zur selben Zeit in der Stadt. Irgendwas war hier am Kochen.

Die sechs Männer trafen sich Atlantas Innenstadt hinter verschlossenen Türen und redeten Klartext. Die Streckenbesitzer machten Big Bill klar, das es eines echten Knallers bedurfte um den Rest der Saison noch zu retten. Die Fans waren unzufrieden, genauso wie Veranstalter und Streckenbesitzer. Aber es gab jemanden, der dieser Knaller sein könnte. Ein Mann, der seit vier Jahren einem erzwungenen Ruhestand nachging — Curtis Turner. Dieser Name war für Bill France noch immer eine offene Wunde, und bei diesem Treffen bohrten die wichtigsten Streckenbesitzer genau dort hinein. Turner hatte 1961 die Federation of Professional Athletes angeführt, eine Organisation, die mit der Gewerkschaft der Transportarbeiter verbunden war. Im Streit mit dieser Organisation hatte Bill France damals gesiegt, und den FPA-Führern Curtis Turner und Tim Flock auf Lebenszeit die NASCAR Mitgliedschaft entzogen.

Nur 400 km weiter nordöstlich, fand auf dem Concord Speedway ein 100 Meilen Stock Car Rennen der Grand American Racing Association statt. Ausgerichtet und geplant von einem der bekanntesten Namen im Südosten — Curtis Morton Turner. Kurz vor Rennbeginn entspannte Turner im Infield der Strecke in seinem klimatisierten, mit Telefon ausgerüsteten, Lincoln Continental. Als das Telefon läutete, war es aus Atlanta, Darlington-Chef Bob Colvin, der die erlösenden Worte sprach, auf die Turner vier Jahre lang gewartet hatte. Es war Pat Purcell überlassen, ihm die Nachricht zu verkünden, die ihn mit allen Rechten wieder zu einem NASCAR Mitglied machte. Er packte seine Sachen und startete den Lincoln. „Lasst uns hier verschwinden,“ sagte er zu seinen Leuten. „Ich bin wieder legal und das ist kein NASCAR Rennen. Wir haben hier nichts verloren.“ Noch in Atlanta gab Bill France der versammelten Presse ein offizielle Erklärung. „Wir sind sicher, das Curtis Turner die Strafe für seine Aktivitäten, durch seinen Ausschluss in den letzten vier Jahren, bezahlt hat. Wir freuen uns, das er wieder dabei ist.“
„Ich fühl mich, wie ein entlassener Sträfling,“ gestand Turner.

Hoffnungen auf sofortige Aufnahme bei einem der Ford Werksteams zerschlugen sich, nach Gesprächen John Holman und John Cowley, schnell. „Die glauben ich bin zu alt,“ sagte ein sichtlich deprimierter Turner. Ohne ein Angebot von Ford, schaute sich Turner anderweitig um. Mit Hilfe von Joe Littlejohn, Besitzer des Piedmont Interstate Fairgrounds in Spartanburg, South Carolina, startete er am 14. August bei dem 100 Meilen Rennen in einem Petty Enterprises Plymouth. 8.000 begeisterte Zuschauer waren schon zum Qualifying zugegen, das für Turner aber schon in der ersten Kurve mit einem Unfall endete. Eine große Enttäuschung für die Fans, wie auch für Turner. Sein nächster Auftritt kam in einem Sam Fletcher Plymouth beim Southern 500 in Darlington. Der Wagen hatte zwei schwache Starts in Daytona hinter sich, und war seitdem eingemottet. Turner startete als achter, konnte den überlegenen Ford aber nicht folgen, und stellte den Wagen nach 51 Runden mit Lenkungsschaden ab.

Curtis Turner 1965Nach seinem Ausfall erhielt er Besuch von den Ford Männern Jacque Passino und John Cowley. Sie versprachen ihm einen Platz in einem Wood Brothers Ford für den Rest der Saison 1965. Immerhin Martinsville, North Wilkesboro, Charlotte und Rockingham standen noch auf dem Kalender. Für zwei weitere Rennen erhielt den Ersatzwagen von Junior Johnson. Hiermit qualifizierte er sich für den zweiten Startplatz in Hickory, beendete das Rennen aber nach 22 Runden mit überhitzten Motor. In Richmond startete er als vierter und musste auch hier mit Motorproblemen aufgeben. In Martinsville hatte er frühzeitig einen Chrash mit Bobby Isaac, aber in North Wilkesboro kam er als fünfter ins Ziel. Beim National 400 in Charlotte führte er das Feld 13 Runden lang an, und beendete das Rennen, nach einem Unfall in der letzten Runde, hinter Fred Lorenzen und Dick Hutcherson als dritter. Im vorletzten Rennen, dem American 500 auf dem North Carolina Speedway in Rockingham, wurde die Phalanx der Ford endlich von einer großen Zahl konkurrenzfähiger Plymouth, Dodge und Chevrolet aufgebrochen. Curtis Turner stürmte vom sechsten Startplatz aus zu Sieg. Der 41 Jahre alte Veteran überholte 27 Runden vor Schluss den Emporkömmling Cale Yarborough, und holte sich das Preisgeld von $13.090 für den ersten Platz. „Gar keine Frage“, meinte Cale, „er kann noch immer einen Rennwagen fahren. Jedenfalls hat er es mir heute bewiesen.“ NASCAR Grand National Rennen hatten zum Anfang der Saison 1965 viel Popularität eingebüßt, aber der Saisonabschluss war wieder ein absolutes Highlight.

Von zwei weiteren Entwicklungen 1965 ist zu berichten. Die Goodyear Tire & Rubber Co. brachte einen neuen Reifen an die Strecke, den Goodyear Lifesaver Inner Tire. „Wir wollten einen Reifen konstruieren, der dem Fahrer auch bei einem Reifenschaden noch ein Minimum an Kontrolle erhält,“ sagte Goodyear Sportdirektor Chuck Blanchard. „Dieser neue Reifen ist nicht die Antwort auf die Träume der Fahrer, aber er bietet eine Menge handfeste Vorteile.“ Die zweite Neuerung war der mit Gummi ausgekleidete Sicherheitstank von Firestone, den NASCAR zum Einbau für alle Wagen vorschrieb. „Wir haben die technische Kompetenz und die Mitarbeiter, die sich um solche Dinge kümmern können,“ sagte Firmeninhaber Harvey S. Firestone. „Diese Abteilung muss keinen Gewinn machen, sondern sich mit Sicherheitsfragen befassen, die dafür sorgen, das der Rennsport nicht so wichtige Leute verliert wie Fireball Roberts und Eddie Sachs.“

In der Saison 1965 setzte Ford Rekordmarken, die vermutlich nie wieder erreicht werden. Wagen mit dem Ford Logo gewannen 32 Grand National Rennen in ununterbrochener Folge. Über die ganze Saison siegten Ford Fahrzeuge in 48 von 55 Rennen.

© 1989 Gregory Lawrence Fielden
FORTY YEARS OF STOCK CAR RACING
Deutsche Fassung © 2004 Reiner Melching