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Rückblicke

NASCAR Saison 1963 – Der Goldjunge und ein herumlungernder Champion

Lorenzen gewann 1961 drei und 1962 zwei Rennen, wobei er in diesen zwei Jahren ein Preisgeld von $76.000 mit dem Holman-Moody Wagen sammelte. Aber es war nur ein Tropfen, verglichen mit dem was 1963 folgen sollte. Er begann die Saison, wieder für Holman-Moody, mit dem dritten Platz am Start und dem zweiten Platz im Ziel beim Daytona 500. Er gewann das Atlanta 500 zum zweitenmal hintereinander und seine Zukunft sah rosig aus. Aber im Frühjahr lockte Holman-Moody den Fred Lorenzen & Junior JohnsonAltmeister Fireball Roberts aus seinem Vertrag bei Banjo Matthews Pontiac Team für das Southeastern 500 in Bristol. Lorenzen führte in der letzten Rennhälfte vor Fireball musste aber noch mal zum Nachtanken an die Box. Er gab seiner Pit Crew Zeichen für die letzten Runden nicht mehr voll aufzutanken. Gerüchte sprachen davon, das seine Crew hinter vorgehaltener Hand aufgefordert war dafür zu sorgen, das Fireball Roberts sein erstes Rennen für Ford gewinnt. Es war vorherzusehen gewesen, das die Teamkollegen eher Gegner als Freunde werden würden. Beide hatten den unbändigen Willen zu gewinnen, spätestens in dem Moment wo sie im selben Team fuhren. Unabhängig von der persönlichen Rivalität schätzte jeder den anderen sehr hoch. „Fireball ist der Beste den es gibt,“ sagte Lorenzen. „Darum zählt ein Sieg über ihn mehr als über andere. Ich bin neidisch,“ fügte er hinzu. „Ich möchte erreichen was er erreicht hat. Jedes Mal wenn ich ihn schlage bin ich der Bessere, oder nicht? Und 1963 war Lorenzen besser. 55 Rennen standen im Kalender, bei 29 von ihnen ging Lorenzen an den Start und fuhr 6 mal als erster durchs Ziel. Er beendete 21 Rennen unter den Top 5 — und lag am Saisonende an 3. Stelle der Tabelle, obwohl er 26 Rennen ausgelassen hatte. Seine Preisgelder summierten sich auf 122.587,28 Dollar. Den bisherige Höchstwert hatte der Champion Joe Weatherly 1962 mit etwas mehr als $70.000 markiert und auch bei seiner Titelverteidigung 1963 blieb er mit $74.000 weit hinter der Rekordsumme von Fred Lorenzen zurück. Kaum einer hatte geglaubt, das die $100.000 Grenze vor Ende der Dekade fallen würde. Lorenzen gelang es als ersten, trotz der Tatsache das er nur die Hälfte aller Rennen mitgefahren war.

Doch die Schlagzeilen der Saison 1963 teilte sich der junge Lorenzen mit einem weiteren Fahrer, sein Name Joe Weatherly. Der Vorjahreschampion aus Norfolk, Virginia, war der dritte Fahrer, dem die Grand National Titelverteidigung gelang. Nur die Art und Weise war etwas ungewöhnlich. Er hatte das ganze Jahr über keinen festen Vertrag bei einem Team, sondern musste wie ein Tramper warten, das ihn jemand mitnahm. Er fuhr Wagen, deren Potential eines Champion unwürdig war. Er verbrachte Stunden am Telefon um irgendwo eine Fahrmöglichkeit zu bekommen, redete mit Fahrern aus den hinteren Tabellenrängen um sie aus ihFred Lorenzen & Joe Weatherlyren Wagen zu locken um damit Punktejagd gehen zu können. „Manchmal hab ich da Wagen gehabt, mit denen ich nie gewinnen konnte,“ sagte Weatherly. „Aber ich hab es locker gesehen und versucht das beste aus dem fremden Material herauszuholen.“ Weatherly fuhr in der Saison 1963 für neun verschiedene Teams. Bereits zu Begin des Jahres hatte ihm sein Teamchef Bud Moore mitgeteilt, das er nicht die finanziellen Mittel hätte auf den Titel zu fahren, sondern nur bei den großen, wichtigen Rennen antreten würde. Mit Hilfe von Joe Weatherly’s Preisgeldern konnte Moore seinem Fahrer 34 Auftritte ermöglichen. Für 10 weitere Rennen durfte Weatherly den Pontiac vom Möbel-Magnaten Cliff Stewart pilotieren. Mit diesem Wagen kam er in allen Rennen unter die Top 10, darunter ein zweiter und ein dritter Platz. Bei den restlichen Rennen verdingte er sich bei Wagenbesitzern wie Fred Harb, Pete Stewart, Major Melton, Worth McMillion, Possum Jones und Wade Younts — Namen, die gemeinhin nicht mit dem Grand National Titel in Verbindung gebracht wurden. Dazu kam noch ein Einsatz auf einem Plymouth von Petty Enterprises in Asheville, den er mit einem vierten Platz abschließen konnte.

Zähigkeit eines Pit Bull, Engagement und Zielstrebigkeit waren die herausragendsten Merkmale des Champions. Weder war das Wort Aufgeben, Bestandteil seines Sprachschatzes, noch hat er es jemals getan. Wenn der Wagen beschädigt wurde, fuhr er weiter bis zum letzen Moment und gewann oft trotzdem — irgendwie. Beim Firecracker 250 im Jahr 1961 sprangen bei seinem Pontiac immer die Gänge raus. Bei den Geschwindigkeiten auf dem Daytona Speedway stellt ein Getriebe, bei dem die Gänge herausspringen, eigentlich das Ende des Rennens dar. Aber nicht wenn der Fahrer Joe Weatherly heißt. Er legte sein rechtes Bein um den Schalthebel, um ihn Position zu halten, und betätigte mit dem linken Fuß das Gaspedal. In dieser unbequemen Stellung fuhr er als sechster über die Ziellinie. Am 6. Mai 1962 startete Weatherly vom siebten Startplatz aus zum 100 Meilen Rennen von Concord, North Carolina. Über 134 Runden jagte er den in Führung liegenden Richard Petty. Ein Achsbruch beendete das Rennen für Petty und der stämmige Weatherly, den ein Angehöriger mal als „genau so hässlich wie süß“ beschrieben hatte, konnte den letzten 50 Runden ruhig entgegensehen. Doch sein Gaspedal beschloss spontan in der Vollgasstellung zu verharren als die nächste Kurve auf ihn zu kam. Weatherly schaltete die Zündung aus und brachte den viel zu schnellen Wagen wild schlingernd durch die Kurve ohne in Leitplanken zu schlagen. Er rettete den Wagen, und vielleicht auch sein eigenes Leben. Es hatte einmal geklappt und so klappte es auch die restlichen 40 Runden. Jeweils vor Kurve 1 und 3 Zündung aus und bremsen und den Rest so gut es ging mit Vollgas hinter sich zu bringen. Als er die Zielflagge sah, hatte er seinen Vorsprung von einer halben Runde vor Cotton Owens nicht nur gehalten, sondern sogar ausgebaut.

Es war genau diese Zielstrebigkeit die dem 41 Jahre alten Joe Weatherly den Grand National Titel auch 1963 sicherte. Zu Anfang des Jahres fuhr einen Pontiac von Bud Moore, dessen Motortechnik aber auf dem Stand von 1962 lag und entsprechend im Vergleich zur Konkurrenz zuwenig Leistung besaß. Trotzdem gewann Weatherly das Rebel 300 in Darlington, Pontiac’s einziger Sieg auf einem Superspeedway in der Saison 1963. Zum Ende des Jahres wechselte Teamchef Bud Moore auf Mercury, und der neue Wagen machte sein Debut beim Southern 500, das Weatherly mit dem siebten Platz abschloss. Moore war unzufrieden und behauptete sein Fahrer hätte den Wagen nur gestreichelt. Weatherly gestand ein, das ihn diese Aussage tief getroffen hatte. „Während des Trainings lief und lag der Wagen prächtig,“ sagte er. „Aber dann haben wir einen neuen Motor eingebaut der entschieden stärker war. Das gesamte Handling änderte sich. Der Wagen begann zu untersteuern. Ich konnte den verbrannten Gummi vom Vorderrad riechen und habe solange Speed zurückgenommen bis der Geruch verschwand. Bud verstand das nicht und ich habe im erklärt, das die Strategie von der Box, und die Durchführung auf der Strecke, zwei verschiedene Dinge sind.“ Trotz der Meinungsverschiedenheit war Weatherly’s Wertschätzung für seinen Teamchef ungebrochen. „Ich sag euch mal was über Bud Moore. Er lässt keinen Wagen auf die Strecke, von dessen Stabilität er nicht überzeugt ist. Wir hatten nicht genügend brauchbare Teile bekommen und er macht keine halben Sachen. Deswegen hat er den Pontiac bei den kleinen Rennen lieber zuhause gelassen. Er ist ein großartiger Mechaniker und braucht vernünftige Teile um arbeiten zu können. Er beklagt sich nie wenn du den Wagen kaputt fährst, er beklagt sich nur wenn du nicht gewinnst. Ich kann ihn verstehen,“ fuhr er fort. „Aber er kann sicher sein, das wenn sein Wagen ein vernünftiges Handling hat, er mich an der Spitze liegend finden kann.“

Joe Weatherly und Richard Petty kämpften den Meistertitel unter sich aus und erst im letzten Rennen in Riverside fiel die Entscheidung zugunsten von Little Joe. Weatherly übernahm die Rolle des bescheidenen Champions. „Ich hatte mehr Glück als Richard“, sagte er. „An erster Stelle war ich glücklich überhaupt immer einen Wagen bekommen zu haben. Viele Jungs aus dem Business haben mir geholfen. Ich weiß gar nicht wie ich jedem einzelnen danken soll. Ich werde versuchen mein Preisgeld gerecht zu verteilen.“ Beim Saisonfinale, dem Golden State 400 in Riverside standen die Titelaspiranten hintereinander am Start — Weatherly auf dem 9. und Petty als 11. Platz. Petty ging zu seinem Rivalen und sagte: „Ich weiß nicht ob ich dir Glück wünschen soll. Wichtig ist, das du heil und gesund ankommst.“ Weatherly wurde siebter und erhielt 1216 Punkte, während Petty nach nur fünf Runden mit defekter Kraftübertragung aufgeben musste. Weatherly verteidigte seinen Titel mit einem Vorsprung von 2.228 Punkten.

Im folgenden Jahr kommt es zu einem tragischen Paradoxon. Weatherly stirbt auf der Strecke von Riverside und Richard Petty gewinnt seinen ersten von sieben Grand National Titeln.

© 1988 Gregory Lawrence Fielden
FORTY YEARS OF STOCK CAR RACING
Deutsche Fassung © 2004 Reiner Melching