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NASCAR Saison 1958 – Die Alten gehen – NASCAR sucht den Superstar

Als die Saison 1957 zu Ende ging, hatte NASCAR eine der schwierigsten Perioden seiner noch jungen Geschichte hinter sich gebracht. Fast drei Jahre lang waren die Gelder und das Entwicklungspotential der Industrie dafür verantwortlich, das die Grand National Serie die Schwelle vom Hinterwäldersport zu einer national anerkannten Rennserie überschreiten konnte. Man war jetzt wer. Die werksunterstützten Teams hatten zu Begin der Saison 1957 noch im Überfluss schwelgen können, doch im Juni des selben Jahres verschwanden die Hersteller, ließen ihre Fahrzeuge aber keine Dollars zurück. Die Fahrer, ungewollt plötzlich zu Wagenbesitzern erhoben, beendeten die Saison eher schlecht als recht. Bildlich gesprochen, mit etwas weichen Knien.

Edddie Pagan mäht die Leitplanken in Darlington niederBekannte Namen der ersten Stunde zogen sich in immer größerer Zahl vom aktiven Sport zurück. Die Pioniere, Männer wie Herb Thomas, Tim Flock, Fonty Flock, Dick Rathmann, Marshall Teague, Frank Mundy, Hershel McGriff, Curtis Turner, Al Keller, Bob Flock und Bill Blair, hatten zusammen 152 der 277 Rennen bis zur Saison 1956 gewonnen. Nun verschwanden sie einer nach dem anderen. Vermutlich auch deswegen, weil keiner dieser Zuschauermagneten 1957 einen Sieg hatte einfahren können. Statistisch gesehen war die Saison 1957 gegenüber 1956 ein Rückschritt. Es gab 33 Strecken die in beiden Jahren gefahren wurden. Nur auf 20 kleineren Kursen stieg die Geschwindigkeit bei den Qualifikationen, während sonst das Tempo jedes Jahr neue Höhen erreicht hatte. Bei den wichtigen Veranstaltungen, Langhorne, Martinsville, Darlington und Daytona lagen die Geschwindigkeiten niedriger als 1956. Die Beobachter waren sich nicht einig, ob der Zuschauerzuspruch anhalten würde, wenn dieser Trend nicht gestoppt werden konnte. Dazu kam, das in Darlington 1957 statt 70 nur noch 50 Wagen für das Rennen gemeldet hatten. Weniger Autos, neue Gesichter und relativ unerfahrene Fahrer standen auf dem Programm. Fonty Flock, der nach seinen schweren Verletzungen, die er sich beim Southern 500 in Darlington 1957 zugezogen hatte, nie wieder ein Rennen Fahren konnte, war der Meinung, das der Grand National von „Amateuren“ verstopft sei. Zwei dieser Amateure hatten ihn in ein Dreher gezwungen, und Bobby Myers sowie Paul Goldsmith fuhren ungebremst in seine Flanke. Myers erlag noch am Unfallort seinen Verletzungen.

NASCAR brauchte dringend ein neues Idol, eine Leitfigur, um die Lücke der entschwundenen Altmeister zu füllen — ein frisches Gesicht, das die Begeisterung der Zuschauer bündelt und die Serie wieder zu neuen Höhen führen konnte. Edward Glenn „Fireball“ Roberts wurde NASCAR’s Retter. Roberts, der 1950 den Grand National Titel verpasst hatte, war nach erfolgreichen Ein kommender Star: Fireball Robertsfünf Jahren bei den schnellen Modifieds, 1956 mit der Unterstützung der Ford Co. zu den Stock Cars zurückgekehrt. Als die Werke 1957 ihre Unterstützung beendeten, stand Roberts ungewollt, wie auch andere Fahrer, als Wagenbesitzer da. Unfähig, die kaufmännische Seite dieses Daseins in den Griff zu bekommen, verkaufte er vor Ende der Saison das gesamte Material. Nun war der 29-jährige, aus Daytona Beach, frei für einen Full Time Job bei einem gut geführten Team. Doch 1958 waren freie Plätze in den wenigen Teams rar oder besetzt. Bob Fish bot ihm im zweiten Rennen in Daytona das Cockpit seines Buick an, und wurde mit einem 9. Platz belohnt. Erst beim zehnten Rennen in Atlanta erhielt er eine zweite Chance in Beau Morgan’s Ford, mit dem er als dritter die Zielflagge sah. Wieder musste er 10 Rennen lang pausieren, bevor Frank Strickland aus Atlanta, der einen ausgedienten 57er Werks-Chevy zusammen mit Paul McDuffie liebevoll aufgebaut hatte, ihn unter Vertrag nahm. Die Finanzen reichten nur für acht Rennen, aber Fireball Roberts nutzte die Chance und gewann 6 davon, darunter alle drei Superspeedway-Rennen. Er belegte Platz 11 in der Grand National Tabelle, obwohl er 41 von 51 Rennen zum Zuschauen verdammt war. Von den 2601 Runden die er absolviert hatte, lag er 1200 Runden in Führung. Am Ende des Jahres wählten die Sportjournalisten aus Florida ihn zu Sportler des Jahres, das erste Mal das ein Rennfahrer diese Wahl für sich entscheiden konnte. Auf diese Ehrung war Fireball Roberts bis zu seinem Tode besonders Stolz, denn für ihn war es auch eine Ehrung des Stock Car Sports insgesamt. Nie wieder hatte ein Fahrer, der die meisten Rennen gar nicht angetreten war, so viele Titelzeilen in den Zeitungen.

Der Memphis-Arkansas Speedway, mit 1,5 Meilen einer der längsten Oval Kurse des Grand National, und erst vier Jahre alt, schloss 1958 seine Tore für immer. Die Streckenbesitzer Clarence Camp, Nat Epstein und Harold Woolridge beschlossen das Ende der mit ständigen Schwierigkeiten kämpfenden Anlage.Und das, obwohl zur selben Zeit gerade die Planung eines neuen Highways gegann, der die Erreichbarkeit der Strecke entscheidend verbessert hätte. Gelegen bei LiHi, Arkansas, hatte der Kurs fünf Grand National Rennen erlebt. Buck Baker Fonty Flock, Speedy Thompson, Ralph Moody und Marvin Panch hießen die Sieger. Clint McHugh und Cotton Priddy waren beim Versuch, es den Siegern gleichzutun, hier ums Leben gekommen. Die Originalpläne sahen ein 1,5 Meilen Asphalt Oval vor, aber die Baukosten und wiederholte Verzögerungen, ließen die Finanzen erheblich schrumpfen, und auf die Asphaltierung wurde vorerst verzichtet. Das wiederkehrende Staubproblem verfolgte den Kurs zeitlebens. Während des letzten Rennens auf dieser Strecke, am 14. Juli 1957, verließ fast die Hälfte der Zuschauer die Veranstaltung, als unter gelber Flagge ein Tankwagen 56 Minuten lang die Strecke neu wässern musste. So waren seine Tage gezählt. Zusätzliche Verzögerungen bei der Planung des Highways schlugen dann den letzten Nagel in den Sarg.

Riverside International Raceway, ein riesig langer Straßenkurs, veranstaltete erstmals am 1. Juni 1958 ein NASCAR Rennen. Innerhalb eines Wochenendes wurde je 500 Meilen Rennen für Big Cars, Sprint Cars und Grand National Stock Cars ausgetragen. Die Veranstalter, Gelard „Al“ Sloanaker und Charles A.Curryer, investierten insgesamt $60.000 in das Projekt, aber nur $10.000 flossen in die Kasse zurück. Das 190 Runden Rennen auf dem 2,62 Meilen langen Kurs war ausgeschrieben für 75 Wagen, ausländische Modelle, auch Mercedes Benz und Rolls Royce, eingeschlossen. Zum Rennen versammelten sich 46 Wagen, darunter 4 ausländische Fahrzeuge. Ein Rolls Royce war aber nicht dabei. Der Start jedoch wurde von Bill France eine Stunde lang verzögert. France, der nach Kalifornien gekommen war um die Interessen seiner Grand National Jungs zu vertreten, registrierte schnell, das die Zahl der Zuschauer auf den Tribünen, und das Preisgeld von $20.000, in keinem Verhältnis zueinander standen. Er verlangte von den Veranstaltern das Geld, bevor gestartet werden konnte. Die gesamte Einnahme aus dem Kartenverkauf wurde zusammengeholt — aber es waren nur $16.750. France akzeptierte einen persönlichen Scheck von Sloanaker über $3.430 für den fehlenden Rest, und das Rennen konnte beginnen. Eddie Gray gewann das Rennen, als der lange führende Parnelli Jones, 43 Runden vor Ende, aufgeben musste.

Der dreifache Winston Cup Champion (1976, 1977, 1978), Cale Yarborough, ging von 1957 bis 1988 insgesamt 560 mal an den Start und gewann 83 RennenAuch im Bereich der „Kleinen“, wie den Modifieds und den Sportsman gab es 1958 sehr viele Rennen unter NASCAR Ägide. Am 12. April 1958 erlitt der 34 Jahre alte Billy Myers, der 1955 Sportsman Champion wurde und 1956 in seiner Rookie Saison im Grand National zwei Rennen gewann, einen Herzinfarkt während des Rennens im Bowman-Gray Stadium von Winston-Salem. Myers lag in Führung als ihn die Herzattacke traf. Langsam, aber gezielt rollte der Wagen am Rand der Strecke aus. Die Streckenposten fanden ihn tot, zusammengesunken über dem Lenkrad.

Zum Abschluss hatte ein pummeliger Bursche namens Cale Yarborough ein paar bange Momente auf dem Ashwood Speedway in Bishopville, South Carolina, zu erleiden. Der 18 Jahre alte Bauernsohn flog mit seinem Limited Sportsman über die Leitplanken, und landete im nahegelegenn See. Eine Zeit lang blieb er auf dem Dach seines langsam sinkenden Wagens stehen. Als ihm das Wasser in die Schuhe lief, überließ er das Auto sich selbst, und rettete sich schwimmend an das Ufer. „Als ich abflog wurde ich nur ein wenig nass,“ bemerkte er. „Also beschloss ich gleich richtig zu baden. Wenn ich bedenke, wie langsam die Kiste unterging, hätte ich es vieleicht sogar schaffen können den Wagen wieder ans Ufer zurück zu fahren.“

© 1987 Gregory Lawrence Fielden
FORTY YEARS OF STOCK CAR RACING
Deutsche Fassung © 2004 Reiner Melching