Kategorien
Rückblicke

NASCAR Saison 1956 – Kiekhaefer holt 30 Siege – und verschwindet

Aber der Niedergang kündigte sich schon viel früher an. Tim Flock, bei 47 Starts 22 mal als Erster im Ziel, packte nach seinem Sieg am 8. April in North Wilkesboro, North Carolina, seine Sachen, und ließ einen fassungslosen Carl Kiekhaefer zurück. „Ich brauche eine Pause,“ sagte Flock. „Meine Magengeschwüre fressen mich sonst auf. Ich bin die ganze Zeit auf dem Sprung, habe keine Zeit mehr für selbst. Irgendwann hat er mich angerufen und gesagt das sein Privatflugzeug mich in einer Stunde abholen würde. Er sagte das es wichtig sei, das ich sofort zu ihm nach Wisconsin kommen müsse. Also bin ich zum Flughafen gefahren, bin zu ihm rübergeflogen, nur damit er mir dort sagen konnte, das ich wieder zurückfliegen kann. Der wollte nur wissen, wo ich war.“ Es dauerte ein paar Rennen, bevor Flock wieder einen festen Vertrag, beim Mercury Team von Bill Stroppe, gegen Ende des Jahres erhielt. Herb Thomas NASCAR’s erfolgreichster Fahrer wurde als Ersatz für Tim Flock verpflichtet. Zusammen mit Buck Baker und Speedy Thompson war er Teil eines fast unschlagbaren 3 Wagen Teams.

Mehrmals im Jahr fanden zwei Grand National Rennen am selben Tag, eines an West-, eines an der Ostküste statt. Während Buck Baker und Speedy Thompson sich auf die Rennen an der Ostküste konzentrierten, wurde Thomas von Kiekhaefer bevorzugt im Westen eingesetzt. „Ich fand es nicht gut dauernd im Westen anzutreten, wenn gleichzeitig ein Rennen bei mir zu Hause stattfindet,“ erinnert sich Herb Thomas. „Klar, ich konnte einige Rennen gewinnen. Einmal sogar drei Siege hintereinander.“ Ende Juli, nach nur drei Monaten, stieg Herb Thomas beim Kiekhaefer Team wieder aus, und versuchte die Saison mit dem eigenen Chevrolet zu Ende zu fahren. Zu dieser Zeit war er zweiter in der Tabelle. „Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl von Kiekhaefer das schlechtere Material zu bekommen,“ sagte Thomas. „Er wollte nicht, das ich die Meisterschaft gewinne. Er bevorzugte Buck Baker, der die ganze Zeit treu zu ihm gehalten hat. Da bin ich besser in meinem Wagen aufgehoben, also hab ich’s gemacht.“


D
er Boden war bereitet für einen spannenden Kampf um den Grand National Titel. Thomas übernahm die Tabellenführung von Baker am 23. September beim Rennen auf dem Langhorne Speedway. Aber Kiekhaefer mietete für 23. Oktober den Cleveland County Fairground in Shelby, North Carolina, und arrangierte innerhalb von 11 Stunden, das ein weiteres Rennen in Grand National Kalender aufgenommen wurde. Es gab Baker eine zusätzliche Chance, seinen Rückstand in der Tabelle aufzuholen. Das 100 Meilen Rennen in Shelby erwischte Herb Thomas auf dem falschen Fuß. Er hatte im Qualifying zwar den 13. Startplatz geholt, musste aber wegen technischer Probleme aber das Rennen von der letzten Position aufnehmen. So wühlte er sich durch das gesamte Feld, und hatte zur Hälfte des Rennens immerhin den 3. Platz erreicht. Viele Runden lang versuchte er vergebens Joe Weatherly im Ford Starliner in Daytona 1956den zweitplatzierten Speedy Thomson zu überholen. In der 109 Runde zog er endgültig an Thompson vorbei. „Ich kann mich an nicht mehr viel erinnern,“ sagte Thomas. „Ich bin an Speedy vorbeigezogen, und dann ging es direkt in die Leitplanken. Mehr weiß ich nicht mehr.“ Thompsons Stoßstange berührte leicht den hinteren Kotflügel von Thomas Chevy, und schickte ihn in die Leitplanken. Diese brachen und fixierten den Wagen von Thomas auf der Strecke, direkt vor dem heranbrausenden Feld. Jack Smith, Billy Myers, Ralph Moody und Lee Petty fuhren in den hilflosen Thomas hinein. Ebenfalls beteiligt, Tiny Lund, Goerge Green und Billy Carden. Herb Thomas wurde aus dem Wagen geschleudert, und lag bewusstlos am Streckenrand. Mit schwersten Kopfverletzungen, geplatzten Trommelfell, inneren Verletzungen und im Koma liegend, wurde er ins Hospital gebracht. Buck Baker gewann das Rennen, doch der 17. Platz auf dem der verletzte Thomas gewertet wurde, sicherte ihm einen Vorsprung von 118 Punkten vor Baker. Der war von dem ganzen Geschehen so erschüttert, das er sofort bekannt gab, aus Respekt vor dem verletzten Kameraden die letzten drei Rennen nicht mehr anzutreten. Man redete auf ihn ein, auch NASCAR vertrat diese Meinung, das die Verletzung nicht durch ihn ausgelöst worden sei, und Unfälle dieser Art ein Teil des Sports sei. Baker fuhr die letzten drei Rennen, und gewann die Meisterschaft mit 586 Punkten Vorsprung vor Herb Thomas.

Carl Kiekhaefer zog sich am Ende der Saison aus dem Renngeschäft zurück, und niemand bei NASCAR hörte wieder etwas von ihm, bis er 25 Jahre später in die Hall of Fame der Motorsports Press Association aufgenommen wurde. 1956 gewannen seine Wagen 30 Rennen bei 50 Starts. In dem kurzen zweijährigen Gastspiel waren es 52 Siege bei 90 Starts. Rekordmarken, die auch die folgenden Jahrzehnte überdauerten. Ebenso schnell wie er kam, verschwand er auch wieder aus dem Rennsport. NASCAR Präsident Bill France würdigte ihn trotzdem. „Carl hat viel für den Stock Car Sport getan. Er brachte immer exzellentes Material an die Strecken, bei den Wagen, seiner Mannschaft und den Fahrern. Er hat uns gezeigt, was Ingenieure zu leisten vermögen und welches Potential in den Fahrzeugen steckt.“

Während Kiekhaefer die Titelzeilen des Jahres beherrschte, gab es im Hintergrund noch andere wichtige Veränderungen; NASCAR schluckte SAFE. Die Society of Autosport and Fellowship Education veranstaltete Stock Car Rennen im mittleren Westen der USA. Ergebnis dieser Vereinigung, die bereits im Januar 1956 erfolgte: NASCAR übernahm die Ausrichtung der SAFE Meisterschaft für Late Model Ragtops, etwas ältere Cabriolets. Bob Welborn war mit drei Siegen der erste Titelträger, aufgrund seiner konstanter Leistungen. Curtis Turner wurde nur Zweiter, und das trotz 22 Siegen in 48 Rennen.

© 1987 Gregory Lawrence Fielden
FORTY YEARS OF STOCK CAR RACING
Deutsche Fassung © 2004 Reiner Melching