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Rückblicke

NASCAR Saison 1952 – Funkverkehr und Sparring mit der AAA

Hinter den Kampflinien der Motorsportverbände aber ging der Fortschritt weiter. Fahrer und Teams experimentierten mit dem Funkverkehr. Erstmals für NASCAR wurde diese Technik am 9. Februar 1952 in einem 125 Meilen Modified Sportsman Rennen in Daytona angewendet. Der Fahrer Al Stevens aus Odeton, Maryland, der beruflich bei einem Funk-Abschleppdienst tätig war, probierte aus, wie die Technik seines Arbeitgebers auf dem riesigen 4,1 Meilen Strand/Asphalt-Kurs eingesetzt werden könnte. Er platzierte zwei Wagen, je einen am Nord- und Südende des Kurses, mit Funkgeräten. Ein weiteres Funkgerät war an der Box seines Teambesitzers Cotton Bennett im Einsatz. Al Stevens, auf einem 37er Ford in der Sportsman Serie unterwegs, beendete das Rennen als 3. in seiner Klasse, und 27. im Gesamtklassement, von insgesamt 97 gestarteten Wagen. Drei Monate später war es Teamchef Red Crise, der für seinen Fahrer Tom Bonadies, auf einem Kurtis Kraft mit Chrysler Firepower Motor unterwegs, eine Funkanlage aufbaute. Er benutzte dafür ein Armee Walkie-Talkie, das mit Klebeband am lederbezogenen Cromwell Helm befestiegt wurde. Sicherlich nicht sehr komfortabel für den Fahrer, bedenkt man, das so ein Walkie-Talkie aus diesen Zeiten ein massives Stück Metall mit entsprechend großen und schweren Batterien war. Während des Rennens konnte der Fahrer durch drücken der Sprechtaste mit seinem Crew Chief Verbindung aufnehmen. Aber neben den normalen knackenden und zischenden Nebengeräuschen, war es aber der durch keinerlei Dämpfung beeinträchtigte Motorenlärm, der dieses Experiment zum Scheitern verurteilte. Kurz nach Ende der ersten Rennhälfte stellte der Motor des Wagen seinen Einsatz ein. Defekter Zylinderkopf — der Kopf von Tom Bonadies dürfte sicherlich noch ein paar Tage länger geschmerzt haben.

Für NASCAR wichtig war, das 1952 erstmals einige bekannte Firmen begannen, den Preisgeldtopf für die Saison großzügig mit einigen tausend Dollars zu füllen. Mit von der Partie, die Pure Oil Co., die das Preisgeld der Daytona Speedweeks auf bisher ungeahnte Höhen schraubte, und außerdem 7.856 Gallonen Benzin kostenlos an die Teilnehmer verteilte. Der Zündkerzenhersteller Champion spendierte $5000 für alle Grand National Meisterschaften, darunter $1500 für die Grand Nationals. Die Sportsman, Modifieds und Short Track Division erhielten je $1000, und $500 flossen in die Speedway Kasse.

Erste Reihe beim Southern 500 in Darlington im September 1952 Fonty Flock, Oldsmobile, Joe Eubanks, HudsonFührend auf der Jagd nach den opulenten Preisgeldern waren Herb Thomas und Tim Flock, die sich die gesamte Saison 1952 ein spannendes Kopf an Kopf Rennen lieferten. Vor dem letzten Rennen trennten die zwei nur 200 Punkte in der Tabelle. Beim Saisonfinale in West Palm Beach, am 10. November, sicherte sich Tim Flock seinen ersten Grand National Titel. Er tat es auf spektakuläre Art und Weise. In der 164. Runde fuhr er mit seinem Hudson in die Leitplanken, überschlug sich, und rutschte auf dem Dach die Zielgerade entlang. Herb Thomas gewann zwar dieses Rennen, aber der zwölfte Platz des auf dem Dach liegenden Tim Flock reichte zur Meisterschaft mit 106 Punkten Vorsprung.

Obwohl alle NASCAR Verantwortlichen sich um größtmögliche Professionalität bemühen, mangelte es den Fahrern oft an eben derselben. Im Normalfall erfuhr ein Veranstalter erst zu Begin des Trainings, welche und wie viele Fahrer den Wunsch hatten, am Rennen teilzunehmen. Obwohl NASCAR frühzeitig Einladungen an die Fahrer verschickte, mit der Bitte, diese ausgefüllt an den Veranstalter zu senden, war die Anzahl der Rückläufer meist gleich null. Nachdem ein Veranstalter ein für Juli geplantes Rennen absagen musste, weil bis drei Wochen vor dem Starttermin nicht eine einzige Anmeldung eingetroffen war, wurde NASCAR Vize-Präsident Ed Otto aktiv. Die Nächsten „Entry Blanks“ die von ihm verschickt wurden, enthielten einen von ihm persönlich verfassten Zusatz. “ Sei nicht dumm. Du möchtest Rennen fahren, aber du lässt den Veranstalter in der Luft hängen. Fülle die Anmeldung aus, und schicke sie bitte an mich zurück.“ Auch das Büro für Öffentlichkeitsarbeit versendete Mahnbriefe an die Fahrer, doch die meisten ignorierten das ganze weiterhin. Es dauerte noch bis zum Ende der Saison, bevor NASCAR einen Weg fand, das Problem zu lösen.

Zum Schluss noch etwas über Ehrlichkeit, von einem ehemaligen Motorrad Rennfahrer, der sich 1952 in der Modified Serie von NASCAR austobte. Joe Weatherly, der später zu einem der beliebtesten Grand National Fahrer werden sollte, war mit 49 Siegen bei 83 Starts, 1952 ein überaus erfolgreicher Bleifussartist. Seine Statistik weist zusätzlich noch aus, das 11 Siege davon in Folge erzielt wurden. Bei einem 25 Runden Modified Rennen im August, auf dem Richmond Speedway, folgte Weatherly dem Spitzenreiter Sam DiRusso im Millimeterabstand. In der letzten Runde kickte er ihn in einen Dreher, und damit auf einen enttäschenden dritten Platz im Ziel. Weatherly fuhr als erster über die Ziellinie. Doch sofort nach Rennende berichtete er den NASCAR Offiziellen, das er bei seinem Wunsch zu gewinnen, viel zu aggressiv und unfair gewesen sei. Er bat die Rennkommissare, DiRusso in die Victory Lane zu holen, und ihm das Preisgeld für den Sieg zu übergeben. Joe Weatherly begnügte sich mit dem Geld für den dritten Platz, und die 1200 anwesenden Zuschauer bereiteten ihm dafür „Standing Ovations“.

© 1987 Gregory Lawrence Fielden
FORTY YEARS OF STOCK CAR RACING
Deutsche Fassung © 2004 Reiner Melching